Gertrud, deren Familienname nicht bekannt ist, wurde am 6.
Januar 1256 geboren und starb wahrscheinlich im Jahre 1301
oder 1302, an einem 16. November; ihr Fest wird am 17.
November gefeiert. Bereits im Alter von fünf Jahren in
das Kloster Helfta aufgenommen, hatte sie eine hervorragende
philologische und theologische Ausbildung genossen,
gefördert von der Äbtissin Gertrud von Hackeborn
(1232-1291). Ihr religiöses Leben blieb jedoch nach
ihren eigenen Aussagen „lau“ bis zum einschneidenden Erlebnis
ihrer „Bekehrung“ am 27. Januar 1281. [Mystik in
Helfta]
Gertruds Offenbarungen wurden in den fünf Büchern
des »Legatus divinae pietatis«, dem
»Gesandten der göttlichen Liebe«,
zusammengefaßt. Dabei stammt das zweite Buch von ihr
selbst; die anderen Bücher wurden von einer Redaktorin,
einer namentlich nicht bekannten
„Schwester N“, herausgegeben, mit klar erkennbaren
stilistischen und inhaltlichen Unterschieden zum zweiten
Buch. Stil und Inhalt können auch als Beweis dafür
gelten, daß die »Exercitia spiritualia« von
Gertruds eigener Hand stammen.
[Rezeption bis zum
16. Jh.]
Im Zuge der sogenannten Gegenreformation, besser: der
katholischen Erneuerung im 16. Jahrhundert, wurde nun Gertrud
zu derjenigen deutschen Mystikerin, deren Werk die weiteste
Verbreitung fand, vor allem in den Ländern der
romanischen Welt. Über Spanien gelangte es bis nach
Südamerika, zu dessen Patronin Gertrud erklärt
wurde. Für die katholische Frömmigkeit des 16. -
19. Jahrhunderts waren Gertruds Offenbarungen von kaum
abzuschätzender Bedeutung, vor allem auch durch
Auszüge, die ins erbauliche Schrifttum gelangten. Mit
dem Rückgang der katholischen Volksfrömmigkeit im
20. Jahrhundert war dann aber Gertrud nur noch in kleinen
Kreisen bekannt; erst mit den neuen Fragestellungen nach
einer von Frauen geprägten Theologie und Literatur
finden ihre Schriften nun wieder erhöhte Aufmerksamkeit.
Für die Forschung stehen fast alle wichtigen Fragen noch
offen: Die künstlerische Leistung Gertruds ist bisher
mehr geahnt als aufgewiesen, die genuine Theologie Gertruds
ist höchstens in Ansätzen erfaßt.