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Kritiken und Rezensionen
  1. B. M. – S. L., Archiv für Liturgiewissenschaft
  2. L. Gnädinger, Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur
  3. S. Köbele, Mittellateinisches Jahrbuch
  4. M. König, Collectanea Cisterciensia
  5. B. J. Nemes, IASLonline
  6. M. Bangert, Geist und Leben
  7. G. Fuchs, Christ in der Gegenwart
  8. MA, Cistercienser Chronik
  9. International Review of Biblical Studies
  10. Ernst Hellgardt, Germanistik
  11. Albrecht Classen, Mediaevistik

B. M. – S. L., Archiv für Liturgiewissenschaft, 2006

Die »Exercitia« sind ein eigenständiges Werk, theologisch wie künstlerisch von sehr hohem Rang, und daß sie nun in einer neuen lat.-dt. Ausgabe vorliegen, ist verdienstvoll. Die Ausgabe nimmt behutsam Rücksicht auf die Situation des heutigen Lesers, der, selbst wenn er religiös ist, nicht leicht Zugang zum Werk der Mystikerin finden dürfte. Zu entfernt ist er von der Geistes-, Sprach - und Bildwelt der mittelalterlichen Nonne. Der Kommentar, der systematisch durch den Text begleitet, öffnet also einen wertvollen Zugang und kann die Beschäftigung mit den "Exercitia" durchaus erleichtern; die Mühe dagegen nimmt er nicht weg. Aber diese lohnt. Die »Einführung« ins Werk verdient das Prädikat insgesamt hervorragend. Sie gibt gekonnt den „roten Faden“ und führt gut ein in Denken, Empfinden und religiöse Sprache der Mystikerin von Helfta. Den »Exercitia spiritualia« kommt der Rang einer einzigartigen Quelle zur Rezeptionsgeschichte von Liturgie im Mittelalter zu.

In: Archiv für Liturgiewissenschaft, Jg. 48, 2006, Heft 1/2, Seiten 241-242.


L. Gnädinger, Zeitschrift für dt. Altertum und dt. Literatur, 2005

Der theologischen Konzeption der »Exercitia« widmet der Heraus­geber viel Aufmerksamkeit. Viel Sorgfalt und außer­ordentlich reiche Kenntnisse verwendet Ringler in der Dar­stel­lung der Grundthemen, wie sie in Gertruds persönlicher Per­spektive und auf Grund ihrer spezifischen Gottes­erfahrung erscheinen und von da aus sich wiederum für jeden an den »Exercitia spiritualia« sich Übenden verall­gemeinern lassen.
Die Einführung, Inter­pretation und Kommen­tierung von Gertruds »Exercitia« dient, gewiß legitimer­weise, dazu, heutigen, mediävistisch nicht vorgebildeten Menschen das Verständnis der spirituellen Welt Gertruds möglich und die vorgeschlagenen geist­lichen Übungen nachvollziehbar zu machen. Zweifellos stellen die »Exercitia« jenes fein strukturierte und eindrucksvolle Gesamt­kunstwerk dar, als welches sie von Ringler mit großer Kompetenz, Begeisterung und Überzeugungs­kraft dargestellt werden.
Die Art und Qualität der Übersetzung orientiert sich an hohen Ansprüchen und manifestiert sich in einem speziellen Über­setzungs­stil. Gertruds Sprache, sakral und rhetorisch geformt, soll keinesfalls einfach und vorschnell heutigem „geistlichem“ Sprach­gebrauch angepaßt werden – ein Grundsatz, dessen strikte und oft wohl schwierige Befolgung dem Original­text wie auch dem Leser in hohem Maße zugute kommt. Mag sein, daß die den Textzugang erleichternden (mir problematisch erschei­nenden) Doppel­ausdrücke und Amplifizierungen das emotionale Plus der spirituellen Text­betrachtung steigern – ein Gewinn, der Gertruds Sinn und Absicht zumindest nicht widersprechen muß.
Noch viel Positives ließe sich zu den »Exercitia« Gertruds der Großen von Helfta und zu der nun vorliegenden Neuausgabe lateinisch-deutsch sagen, aber lieber erprobe sie jedermann selbst: wie der Heraus­geber es wünscht, soll sie fruchtbar werden für die Theologie, Mystik­forschung, Frauen­forschung, Philologie und religiöse Praxis.

In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 134 (2005), Heft 2, S. 229-232


Susanne Köbele, Mittellateinisches Jahrbuch, 2004

Gertruds Gebets-Meditationen sind im Kern eine mystische Liebestheologie, eine weniger diskursiv entwickelte als poetisch-hymnisch vergegenwärtigte. Diese in der Selbstbeschreibung des Textes "süße", zugleich theologisch anspruchsvolle Sprache Gertruds ist für jeden Übersetzer eine gefährliche Klippe. Wie kann die Übersetzung den "süßen" Liebes-Affekt inmitten von Rationalität nachvollziehen? Ringler nimmt die Herausforderung an. Indem sie sich alle Freiheiten sinngemäßer Wiedergabe konsequent versagt, erreicht R.s Übersetzung eine hohe Prägnanz, eine überzeugende Nähe zum Original, bar jeder banalen Aktualisierung. Der Kommentar fördert die Erschließung überwiegend der Binnenstrukturen des Textes. Der künftigen Forschung ist es nun aufgegeben, in philologischer Detailarbeit Gertruds unverwechselbares spirituelles und poetologisches Profil herauszuarbeiten. Spannende Fragen sind nach wie vor offen.

In: Mittellateinisches Jahrbuch 39,2 (2004), S. 294-297


Magdalena König, Collectanea Cisterciensia, 2004

"Dieu est beau". C'est ainsi que Siegfried Ringler commence son livre; et il ajoute: voilà aussi pourquoi ce que Gertrude écrivait sur Dieu se devait d'être beau. Et de là aussi, l'exigence pour le traducteur et commentateur de rendre cette beauté accessible même à ceux qui ne comprennent pas le latin. Il y parvient précisément parce qu'il renonce consciemment à user d'un langage modernisant et laisse subsister la distance entre l'univers culturel de Gertrude et notre temps. Ainsi est mise en valeur la particularité de l'oeuvre de Gertrude. Dans sa langue incomparablement belle et imagée, Gertrude lie réflexion théologique, expérience mystique et prière personnelle, vie sacramentelle et liturgie. Ajoutons que les éditions Humberg en ont fait un si beau livre qu'on aimera le prendre en main pour la lectio divina.

In: Collectanea Cisterciensia 2004, S. 464, Nr. 1005


Balázs J. Nemes, IASLonline, 2004

Ringlers Beschäftigung mit dem Text zielt darauf ab, ihn als ein sprachliches Kunstwerk und Träger einer genuinen Theologie herauszustellen. Über den akademischen Interessentenkreis hinaus sollen sich jene Leser angesprochen fühlen, die sich nicht aus rein wissenschaftlicher Neugier, sondern religiös motiviert der Ausgabe nähern: Sie sollen den Text für die (selbst)pastorale Praxis fruchtbar werden lassen, um ihn in seiner ursprünglichen Funktionsbestimmung, d. h. als Anleitung zur Meditation wieder zu etablieren.

In: IASLonline 2004 (Volltext)


Michael Bangert, Geist und Leben, 2002

Siegfried Ringler hat eine Übersetzung vorgelegt, in der er die souveräne und hochpoetische Sprachbehandlung sowie die außerordentliche theologische Kompetenz der Helftaer Ordensfrau wirksam werden lässt. Ringler gelingt es, die Struktur des kunstvollen Lateins in das Deutsche zu projizieren, ohne der Gefahr einer glättenden Sprachüberformung zu erliegen. So übersetzt er den von der Mystikerin sehr häufig genutzten Terminus "amor deus" konsequent mit der Formel "Gott-Liebe", wodurch die johanneische In-Einssetzung von Liebe und Gott bereits auf der Literarebene zum Tragen kommt. Rhythmus, Stil und Konstruktion des lateinischen Werkes bleiben nach Möglichkeit in den deutschen Formulierungen erhalten, die sich infolgedessen durch Fragilität, bisweilen durch Sprödigkeit auszeichnen.
Die neue Übersetzung der Exercitia wird Lesern mit unterschiedlichen Interessenlagen gerecht, da sie eine wichtige Quelle mystischer Theologie kenntnisreich, unprätentiös und sorgsam freilegt.

In: Geist und Leben 75 (2002), S. 317


Gotthard Fuchs, Christ in der Gegenwart, 2002

Im 700. Todesjahr jener Helftaer Ordensfrau, die man die Große nennt, ist das geistliche Profil dieser erfahrenen Glaubenslehrerin wieder von Interesse. Neben dem zweiten Buch der Schrift "Vom Gesandten der göttlichen Liebe" sind es die "Geistlichen Übungen", die nachweislich von Gertrud selbst stammen. So ist es doppelt zu begrüßen, daß dieses große Zeugnis christlicher Mystik jetzt in neuer Übersetzung und in zweisprachiger Ausgabe vorliegt. Dem Bau einer gotischen Kathedrale vergleichbar, werden zentrale Themen des monastischen und christlichen Lebens meditiert und zur Einübung empfohlen. Das große Loblied auf Gottes Liebe in allen Dingen ist, wie der Altmeister Kurt Ruh formuliert, "eine unvergleichliche Summe der personalen Zuwendung des gläubigen und begnadeten Menschen im Gebet. Es hat eine Höhe, die in der gesamten Frauen-Mystik nie erreicht wurde." Ringler übersetzt sensibel und genau, wohl wissend, daß Gertruds durchkomponierte Meditationen letztendlich unübersetzbar sind.

In: Christ in der Gegenwart 37 (2002), S. 302


MA, Cistercienser Chronik, 2002

In dieser Summa mystica hat Gertrud nicht nur das eigene religiöse Wissen, Erkennen und Erleben, sondern auch die theologische Wissenschaft ihrer Zeit zusammengefasst. Sie ist heute hoch aktuell: weil ihr Verständnis von "Rechtfertigung" noch in den gemeinsamen Wurzelgrund der Glaubensüberlieferung vor der Spaltung in Konfessionen reicht, weil sie eine nicht-patriarchalische, sondern allgemein menschliche und weibliche Sicht der Kirche und der Heilsvermittlung vertritt, und weil dieses sprachliche Kunstwerk den Glauben auch "sinnenhaft" vermittelt, d. h. alle Kräfte in die Gottesbeziehung zu integrieren versucht. Ringler hat den lateinischen Text neu ediert (an wesentlichen Stellen verbessert!) und ihn mit einer deutschen Übersetzung vorgelegt, die Wortlaut und Bedeutungsnuancen genau wiederzugeben und zugleich dem Stil des kunstvoll modulierten Latein zu entsprechen sucht. Trotz der bewundernswerten Übersetzungsleistung bleibt jedoch ein leises Unbehagen. Das lateinische Original klingt bei aller kunstvollen Gestaltung sehr viel schlichter und nüchterner als der deutsche Text. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass er förmlich durchwoben ist von Zitaten und Anspielungen auf die Heilige Schrift bzw. das Offizium, die als solche einen objektiveren Klang haben als die deutsche wörtliche Übersetzung. Es ist dies ein grundsätzliches Problem der Vermittlung einer aussterbenden abendländischen Kultur. Um so mehr sei Ringler gedankt für die Neuausgabe dieses mystagogischen Werks, das in jede Klosterbibliothek gehört!

In: Cistercienser Chronik 109 (2002), S. 461-463


International Review of Biblical Studies, 2002

Eines der wichtigsten Werke mittelalterlicher Mystik wird hier erstmals in einer zweisprachigen, dankenswert ausführlich kommentierten kritischen Ausgabe geboten; die gut lesbare und zuverlässige Übersetzung ist völlig neu erarbeitet. Es wäre zu hoffen, daß der gelehrte Übersetzer sich auch dem übrigen Werk der großen Mystikerin zuwendet.

In: International Review of Biblical Studies 49 (2002/03), Nr. 2136


Ernst Hellgardt, Germanistik, 2003

Einführend werden außer editionstechnischen Fragen besonders die theologische und ästhetische Konzeption der Exercitia skizziert. Die Übersetzung strebt Adäquatheit zum sprachlichen Kunstcharakter des Werks an. Sie scheut, um dem mittelalterlichen Ausdruck gerecht zu werden, „wörtliche“ Wiedergaben nicht und versucht den poetischen Duktus von Gertruds Sprache hör- und sichtbar zu machen. Ebenso widmet sich der recht umfangreiche Kommentar als Hilfe für Leser des Übersetzungstextes vor allem der ästhetisch-spirituellen Würdigung des Werks in liebevollen Gedanken-, Form- und Stilanalysen. Die mittelalterliche Quellentradition zur Bild- und Gedanklichkeit der Exercitia bleibt ausgeklammert. Das Buch, das sich nicht zuletzt an spirituell interessierte Kreise wendet, präsentiert sich auch äußerlich in ästhetisch qualitätsvoller Ausstattung.

In: Germanistik 44 (2003), Heft 1/2 S. 255f.


Albrecht Classen, Mediaevistik, 2003

Wie Ringler andeutet, verlangt eine Reihe von Begriffen sorgfältiges Abwägen, um den vollen theologischen, mystischen Gehalt im Deutschen zu erfassen, was das interpretatorische Vermögen des Übersetzers beträchtlich herausfordert. Ringler macht es seinen Lesern leicht, indem er sowohl im Original als auch in der Übersetzung Zeilennummern angibt.
Der Kommentar geht zwar ausführlich auf besondere Textstellen ein, doch unterläßt es Ringler meistens, den literarhistorischen, theologischen, philosophiegeschichtlichen und kunsthistorischen Kontext stärker einzubeziehen, und konzentriert sich dagegen weitgehend auf die religiöse Aussage und ihre biblische Fundierung.
Dennoch sei die Hauptleistung dieser Arbeit anerkannt. Ringler bietet erneut eine Edition des lateinischen Textes, begleitet von einer sehr zufriedenstellenden Übersetzung. Es handelt sich außerdem fast schon um eine bibliophile Ausgabe. Der Verlag hat hier hervorragende Arbeit geleistet.

In: Mediaevistik 16 (2003), S. 356f.

[Anmerkung: Die Ausgabe und Übersetzung der Exercitia ist tatsächlich vor allem als eine Leseausgabe konzipiert: als Veröffentlichung eines zuverlässigen lateinischen und gut lesbaren, stimmigen deutschen Textes. Ebenso legt der Kommentar den Schwerpunkt auf die Lesbarkeit des Textes: auch der nicht fachkundige Leser soll Gertruds Gedanken und ihre Sprache verstehen. Die wissenschaftliche Aufarbeitung des Textes war nicht beabsichtigt, da sie – auch finanziell – den Rahmen einer Leseausgabe sprengen würde. So wird der vielfältige Hintergrund von Gertruds Text nur angedeutet. Die vorliegende Ausgabe soll jedoch dazu anregen, ihn wissenschaftlich aufzuarbeiten und darzulegen. Siegfried Ringler]